Spannendes über beliebte und unbeliebte Achtbeiner
Von Jörg Hofmann
Zu den Spinnentieren gehören nicht nur die klassischen Spinnen , die jeder von uns kennt, sondern noch viele weitere Ordnungen, die ich Ihnen vorstellen möchte. Systematisch betrachtet, gehören die Arachnida (Spinnentiere) zu den Chelicerata (Kiefernklauenträger), zu denen auch die Merostmata (Pfeilschwanzkrebse) und Pantopoda (Asselspinnen) gehören. Allen drei Klassen ist gemein, dass sie im Gegensatz zu den Krebsen und Insekten keine Antennen tragen und über Cheliceren verfügen, die sich aus den Beinen entwickelt haben. Mit diesen Gebilden ergreifen oder zerkleinern sie ihre Beute, oder sie injizieren Gifte in ihre Opfer. Fast alle Arachnida besitzen sechs Extremitätenpaare, wovon sich das erste zu Cheliceren entwickelte, das zweite zu Pedipalpen und das dritte bis sechste zu Beinpaaren. Daher verfügen alle Spinnentiere also über acht Beine, was sie deutlich von den Insekten unterscheidet. Ihr gesamter Körper ist in der Regel zweigeteilt, der Vorderkörper wird Prosoma genannt und besteht aus zwei verwachsenen Segmenten und ist nach oben abgeschlossen vom Peltidium, einem meist kräftig gebauten Rückenschild. Im Anschluss folgt das Opisthosoma (Abdomen), in dem auch das Herz gelegen ist. Bei den Webspinnen und Walzenspinnen ist das Opitshosoma zu einer Einheit verschmolzen, und man kann einzelne Segmente nicht mehr erkennen. Bei den Skorpionen und Pseudoskorpionen hingegen sind bis zu 13 Segmente deutlich zu entdecken. Besonders deren Schwänze sind gut segmentiert, und am letzten Segment erkennt man bei den Skorpionen den Giftstachel. Die Geschlechtsöffnung liegt bei fast allen Arachniden auf der Unterseite des zweiten Segments des Opisthosomas. Die männlichen Spinnentiere übertragen die Spermien bei der Paarung mithilfe der bereits erwähnten Pedipalpen in die weibliche Geschlechtsöffnung. Folgende (grobe) Einteilung gibt es aktuell bei den Chelicerata:
Chelicerata (Kieferklauenträger):
1.Klasse: Merostomata: Xiphusura (rezent), Eurypterida (ausgestorben)
2.Klasse: Arachnida (Spinnentiere)
1. Ordnung: Skorpiones (Skorpione)
2. Ordnung: Pedipalpi: Uropygi (Geißelskorpione) und
Amblypygi (Geißelspinnen)
Amblypygi (Geißelspinnen)
3. Ordnung: Palpigradi (Palpenläufer)
4. Ordnung: Araneae (Webspinnen)
5. Ordnung: Pseudoscorpiones (Pseudoskorpione oder
Afterskorpione)
Afterskorpione)
6. Ordnung: Opiliones (Weberknechte)
7. Ordnung: Solifugae (Walzenspinnen)
8. Ordnung: Ricinulei (Kapuzenspinnen)
9. Ordnung: Acari (Milben)
3.Klasse: Pantopoda (Asselspinnen)
Die Klasse der Arachnida besteht also aus neun Ordnungen von landbewohnenden Chelicerata, die teilweise sekundär das Wasser als Lebensraum zurückerobert haben. Das gilt z. B. für die einheimische Wasserspinne Argyroneta aquatica und einige weitere Arten, die auf dem Wasser leben. Hier seien die einheimischen Raubspinnen (Pisauridae) Dolomedes fimbriatus und D. plantarius erwähnt, die zu den größten einheimischen Spinnen gehören. Sie sind sehr selten und stark in ihrem Bestand gefährdet. Mehrere Arten der Milben (Acari) sind ebenfalls sekundär zu Wasserbewohnern geworden. Die Cheliceren sind sehr unterschiedlich gebaut, was bei über 90.000 Arten nicht verwundert. Von kleinen Scheren über riesige Zangen bis hin zu stilettförmigen Dolchen oder mit Giftdrüsen versehenen Klauen ist alles dabei. Es gibt tatsächlich stark giftige Spinnentiere, wie die südamerikanischen Kammspinnen der Gattung Phoneutria spec., jedes Jahr gibt es durch sie verursachte tödliche Bissunfälle. Bei vielen Arten wird die Giftigkeit stark übertrieben, dagegen sind einige Bisse sehr schmerzhaft, ohne jedoch für Langzeitschäden zu sorgen. Selbst unsere einheimische Kreuzspinne Araneus diadematus kann die menschliche Haut an empfindlichen Stellen durchdringen, und ihr Biss verursacht kräftige Schmerzen. Gleiches gilt für die wunderschöne Wespenspinne Argiope bruennichi, die in den letzten fünfzig Jahren immer weiter nach Norden gewandert ist und eigentlich ein typischer Bewohner der Mittelmeerstaaten ist. Man findet sie auf Trockenwiesen und in anderen warmen Biotopen. Zusätzlich verfügen die Skorpione noch über einen Giftstachel mit mehr oder weniger starkem Gift. Spinnentiere verfügen über zwei verschiedene Augentypen, die Haupt- und Nebenaugen genannt werden. Die Hauptaugen sind teilweise sehr leistungsfähige Linsenaugen, die schnellste Bewegungen wahrnehmen können. Besonders die Springspinnen (Salticidae)verfügen über vergrößerte Frontalaugen, die wie zwei Teleobjektive fungieren. Spinnen tragen normalerweise acht Augen, einige auch nur sechs. Keinesfalls tragen Spinnen Facettenaugen, diese sind nur bei den Mandibulata, also z. B. Krebsen und Insekten nachzuweisen. Alle Chelicerata tragen Tasthaare auf dem Körper, die unterschiedlichste Informationen übermitteln. Es gibt Trichobothrien, die Luftschwingungen übertragen, aber auch Geschmackshaare. Bei der Nahrungsaufnahme injizieren Spinnentiere Verdauungsenzyme in ihre Opfer, die dann außerhalb des Körpers verdaut wird, was extraintestinale Verdauung genannt wird. Es gibt jedoch viele Abwandlungen innerhalb der artenreichen Gruppen. Terraristisch interessant sind vor allem die Webspinnen und die Skorpione, alle anderen werden eher selten gepflegt. Über Krankheiten ist nur sehr wenig bekannt, meist handelt es sich um Parasiten die im Inneren von Spinnen heranwachsen, selten auch außen parasitieren.
Schaut man sich die Ordnungen genauer an, dann gibt es Besonderheiten, die auffällig sind:
Skorpiones:
Auf den ersten Blick den Krebsen ähnlich, sind die Skorpione jedoch nicht mit ihnen verwandt. Ihre Pedipalpen sind zu Scheren umgewandelt, und sie dienen der Abwehr und dem Fang von Futtertieren. Die großen Arten wie Pandinus imperator (bis zu 21 cm lang) nutzen ihren Giftstachel am Ende des verlängerten Opisthosomas (man nennt es Metasoma) eher selten, da sie durch ihre gewaltige Kraft Futtertiere nur mit ihren Scheren zerlegen. Die kleineren Arten, insbesondere die aus den Wüsten, bedienen sich ihres Giftes, denn sie treffen selten auf Beute und müssen diese auch überwältigen, um in den ariden Gebieten überleben zu können. Hierzu zählt z. B. einer der giftigsten Skorpione: Androctonus australis aus der Sahara. Ihr Körperbau ist starr und seit dem Zeitalter Silur (440 416 Mio. Jahren) praktisch nicht abgewandelt. Alle Skorpione sind ovovivipar bzw. vivipar, und sie kümmern sich in den ersten Lebenswochen um ihre Nachkommen, dem voran geht ein ausgeprägtes Paarungsspiel zwischen den Geschlechtern. Insgesamt gibt es über 1.000 Arten, die für den Menschen jedoch nicht alle gefährlich sind. Nur wenige Arten sind dies, und von etwa 150.000 Unfällen pro Jahr sterben etwa 1.200 Menschen. Über 40.000 dieser Unfälle geschehen alleine schon in Mexiko, hier ist die gefährliche Gattung Tityus sehr häufig.
Pedipalpi: Die Geißelskorpione (Uropygi) und Geißelspinnen (Amblypygi) gehören zu den spannendsten Spinnentieren überhaupt, obwohl noch gar nicht so viel über sie bekannt ist. Insgesamt sind in diesen beiden Gruppen über 400 Arten beschrieben.
1. Geißelskorpione:
Im Gegensatz zu den Skorpionen lösen sich bei den Uropygi die Segmente schon langsam auf, und das Metasoma wird wesentlich kleiner und trägt keinen Giftstachel. Zur Abwehr versprühen die Tiere aus Analdrüsen Essig- oder Ameisensäure und vertreiben so ihre Feinde. Ihre Pedipalpen sind teilweise zu gewaltigen Greifen geformt, mit denen sie ihre Beute festhalten können. Bei den männlichen Geißelskorpionen sind sie stärker ausgeprägt als bei weiblichen. Sie tragen ihre Eier in speziellen Eiersäcken und werden bis zum Schlupf getragen.
2. Geißelspinnen:
Die Amblypygi ähneln schon sehr den Webspinnen, jedoch sind sie noch stärker segmentiert als diese und verfügen noch nicht über Spinnwarzen. Ihre Pedipalpen sind verhältnismäßig groß und werden zum Ergreifen der Beute gebraucht. Das erste Laufbeinpaar ist zu einem Tastbein geworden und erreicht fast schon unmögliche Längen (Spannweite bis zu 60 cm!). Mit ihnen spüren sie Beutetiere in engen Spalten auf und kitzeln sie langsam aus dem Versteck heraus. Auch sie sind ovipar und tragen ihre Eier in einer speziellen Tasche bis zum Schlupf. Die Jungtiere bleiben zuerst auf dem Muttertier, später oft auch in ihrer Nähe, denn sie sind weniger kannibalistisch veranlagt als andere Spinnentiere. In geeigneten Höhlen sind manchmal viele Exemplare zu entdecken.
Palpigradi:
Es gibt etwa 80 Arten weltweit, und sie sehen den Geißelskorpionen ähnlich, haben jedoch ähnlich wie die Geißelspinnen das erste Beinpaar zu einem Tastbeinpaar verlängert. Ihre Cheliceren sind übermäßig groß und werden zum Festhalten der Beutetiere benutzt. Sie sind sehr klein mit maximal 3 mm, und die meisten Arten sind parthenogenetisch. Die Palpenläufer sind blind. Ihr Lebensraum ist die Laubschicht, terraristisch sind sie nicht interessant, hauptsächlich bedingt durch ihre geringe Größe.
Araneae:
Die Gruppe der Webspinnen ist mit 42.000 Arten und über 100 Familien die artenreichste Spinnentiergruppe nach den Milben. Sie sind die typisch geformten Spinnen und werden in Mesothelea und Opisthothelae gegliedert, je nach Zahnstellung. Ihre Cheliceren sind zweigliedrige Klauen, die teilweise mit Giftdrüsen versehen sind. Die Pedipalpen sind bei den männlichen Tieren zu Übertragungsorganen für die Spermien gewandelt und dazu haben sie verschiedenste Methoden entwickelt, bei Paarungsversuchen nicht den weiblichen Spinnen zum Opfer zu fallen. Sie verfügen über Spinnwarzen, die am Ende des Opisthosoma gelegen sind. Die Webspinnen sind nur noch zweigliedrig im Bau, und am Prosoma setzen die vier Beinpaare an. Die meisten Spinnen sind für den Menschen harmlos, jedoch gibt es auch sehr giftige Arten, wie Phoneutria spec. aus Südamerika. Alle Arten haben mehr oder weniger hoch entwickelte Fortpflanzungsstrategien, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Sie bauen mithilfe ihrer Spinnwarzen Fangnetze oder Wohnröhren und formen ihre Eier in feste Kokons.
Pseudoscorpiones:
Die Pseudo-oder Afterskorpione haben einen den Skorpionen sehr ähnlichen Körperbau, verfügen auch über scherenähnliche Pedipalpen. Diese haben mindestens eine Giftdrüse, um ihre Beute zu lähmen, dann zerreißen sie ihre Opfer oder bohren ein Loch hinein, um sie auszusaugen. Die meisten Arten leben in der Laubstreu, die berühmteste Art jedoch ist ein echter Kulturfolger: Chelifer cancroides,der Bücherskorpion. Mit maximal 4,5 mm ist er schon einer der Riesen unter den Pseudoscorpiones, denn sie werden höchstens 7 mm lang. Merkwürdig mutet bei diesem Anblick nur das fehlende Schwanzglied. Es gibt über 3.000 Arten, allein in Deutschland sind es etwa 100. In speziell gesponnenen Brutkammern werden die Eier gelegt und vom Weibchen kurz bewacht. Terraristisch sind sie aufgrund ihrer Winzigkeit eher uninteressant.
Opiliones:
Die allgemein bekannten Weberknechte tragen einen einheitlich geformten Körper, dessen Gliederung kaum zu erkennen ist; an einem runden Körper sitzen vier extrem lange und dünne Beinpaare. Jedoch sind nicht alle Weberknechte dieser Grundform unterworfen, manche ähneln auch den Milben. Ihre Cheliceren sind dreigliedrige Scheren, und die weiblichen Tiere verfügen über einen Ovipositor, und sie kümmern sich in der Regel nach der Eiablage nicht um ihre Nachkommen. Etwa 6.000 Arten sind weltweit bekannt.
Solifugae:
Die Walzenspinnen können bis zu 70 mm lang und leben hauptsächlich in ariden Wüstengebieten der Alten Welt. Deutlich getrennt ist das Prosoma vom Opithosoma. Die gewaltig großen zweigliedrigen Scheren (Cheliceren), können auch wehrhafte Beute extrem schnell zerschneiden; selbst durch die menschliche Haut finden sie ihren Weg, jedoch verfügen die Tiere über keine Giftdrüsen. Wenn sie ihre Vorzugstemperatur erreicht haben, laufen die Walzenspinnen schnell durch die trockenen Biotope und suchen nach Futter, meist nachts. In der Terraristik werden die Tiere eher selten gepflegt, da sie große und warme Behältnisse brauchen und als schlecht haltbar gelten. Die Nachzucht ist bisher nur in Einzelfällen gelungen. Über 1.000 Arten sind beschrieben.
Ricinulei:
Die Kapuzenspinnen sind nur eine kleine Gruppe mit etwa 60 Arten. Ihr zweites Beinpaar ist stark rückgebildet, insgesamt werden sie maximal 10 mm groß. Über Lebensweisen ist wenig bekannt.
Acari:
Die artenreichste Spinnengruppe mit über 50.000 Arten bewohnen praktisch alle Biotope, vor allem auch ungewöhnlichste Orte. Ihre Cheliceren sind unterschiedlich gebaut, je nach Lebenslage. Ihr Körper besteht aus unterschiedlich vielen Segmenten, die jedoch meist so stark verwachsen sind und so wie ein Segment wirken. Normalerweise haben sie vier Beinpaare, häufig ist ein Beinpaar rückgebildet, oftmals auch in jugendlichen Stadien. Viele Milben sind Destruenten, die in verschiedenen Bodenschichten ihre Arbeit verrichten, es gibt aber auch viele parasitär lebende Milben, an Pflanzen, Tieren und auch dem Menschen. Mithilfe der Milbe Thyroplyphus siro wird ein schmackhafter Käse gewonnen, nicht alle Milben sind also Schädlinge. Die berühmtesten Milben sind die Hausstaubmilben Dermatophagoides pteronyssinus und Dermatophagoides farinae, die beim Menschenheftige Allergien auslösen können. Der Holzbock oder Zecke Ixodes ricinus ist ein gefürchteter Parasit an Tier und Mensch und Vektor für viele Krankheiten.
Die Spinnentiere haben also ein großes Potential, einen spannenden Vortrag zu liefern. Wir werden eine kleine Kamera (Vortrag 01.02.13) installieren und auf der zweiten Leinwand lebende Exemplare auch aus der Kleinstwelt übertragen. Lassen Sie sich überraschen.
Autor:
Jörg Hofmann, Hamburg. Hat Biologie und Geographie studiert und ist lange Zeit Vorstandsmitglied der DGHT-LV Hamburg gewesen, Sachverständiger für die Hamburger Behörden für Reptilien, Amphibien und Wirbellose. Arbeitete 25 Jahre im Groß- und Einzelhandel für Reptilien.